Auf der Basis der so genannten Hodgkin-Huxley-Gleichung werden die
klassischen neuronalen Netze zu einem kontinuierlichen Modell erweitert.
Das Hauptziel dieses Projektes der Grundlagenforschung ist die Entwicklung
dynamischer kognitiver Systeme auf der Grundlage dieser neuen dynamischen
neuronalen Netze zur Steuerung und Regelung hoch komplexer Vorgänge,
die den Menschen als Akteur mit beinhalten.
Im Unterschied zu den nur statisch trainierbaren neuronalen Netzen für
Mustererkennung, die bereits einige Anwendungsfelder gefunden haben,
sind die dynamischen kognitiven Systemen auch simulationsfähig. Damit
kommen diese Kognitionssysteme mehr als bisher der Funktionsweise von
Gehirnen hoch entwickelter Säugetiere nahe. Die Dynamikerkennung, die
Simultionsfähigkeit, sowie die Fähigkeit der Selbstmodifikation sind
wesentliche Kriterien zur Ausbildung von Kreativität.
Das Projekt umfasst die Ausarbeitung der theoretischen Grundlagen der dynamischen
kognitiven Systeme, sowie die Programmierung von Software. Weiterhin gehört
zu dem Projekt die Entwicklung und der Einsatz von Schnittstellentechnologien zur
Kopplung von menschlichen Akteuren an die "künstlichen" Gehirne und, als
Folge dieser Kopplung, die experimentelle Überprüfung von Hypothesen zur
Wahrnehmungphysiologie und -psychologie. Schließlich ist geplant, Prototypen von
Hardwarekomponenten für späteren industriellen Einsatz zu erstellen.
Die dynamische Struktur der neuronalen Netze orientiert sich an der Dynamik
des Gehirns, also einer Kombination eines "Stimulators" und eines "Simulators",
wie unten schematisch dargestellt ist. Die Notwendigkeit, Stimuli zu verarbeiten,
versteht sich von selbst; das ist die Grundfähigkeit bereits sehr primitiver
Gehirne. Die Simulationsfähigkeit hingegen kommt in der Regel höher
entwickelten Säugetieren und insbesondere dem Menschen zu. Die Simulation ist
einerseits zur Prädiktion und anderseits für die Erzeugung kreativer Leistungen
notwendig. Im Gegensatz zu niederen biologischen Strukturen können die
hochentwickelten Gehirne mit Simulationsfähigkeit Strategien zur Organisation
der Umwelt entwickeln. Kreative Leistungen sind so zusagen eine segensreiche
"Nebenwirkung" der Simulationsfähigkeit. Wie unten schematisch dargestellt,
können auch andere kognitive Systeme simuliert werden, was zu einem
typischen Interface-Problem mit Selbstreferentialität führt.
Es hat sich in unseren bisherigen Arbeiten bereits gezeigt, dass mit Hilfe so
genannter "Dynamik-Synchronisations-Verfahren" die oben genannte Gehirndynamik
sehr gut beschrieben werden kann. Auf der Basis dieser Verfahren sollen zunächst
"dynamik-erkennende" Netzwerke erstellt werden, für die in der Abteilung für
Grundlagenforschung des ZKM bereits erste Prototypen entwickelt wurden. Auch
die Anregung dieser Netzwerke durch externe Stimuli zeigte erste Erfolge. Die
unten dargestellte Serie von 5 Screenshots zeigt eine Adaptation des Simulus
auf ein komplexes, musterbildendes System. In einem anderen Beispiel haben wir
zur Anregung ein menschliches Pulssignal benutzt (die Zeitreihen sind unten wiedergegeben).
Wir versprechen uns als potentielle Anwendungsmöglichkeit ein intelligentes
diagnostisches System, das nicht nur im medizinischen, sondern allgemein im
kybernetischen Bereich, also zur Steuerung und Regelung von komplexen Systemen,
von Nutzen sein kann.
Parallel zur Entwicklung neuronaler Netze wurden Vorversuche zu so genannten
"Bio-Feedback-Verfahren" unternommen, die zur oben genannten Kopplung menschlicher
Akteure an die virtuellen Gehirne dienen sollen. Die Zielsetzung ist, die bereits
verfügbaren medizinischen Bio-Feedback-Verfahren durch die Ankopplung der dynamischen
neuronalen Netze zu ergänzen. Die spannende Frage ist: Inwiefern lassen sich die
"künstlichen" Gehirne durch Ankopplung an reale Gehirne (beispielsweise über das EEG)
trainieren? D.h., inwiefern findet eine Adaptation statt? Sicher ist, dass
dynamische neuronale Netzwerke die Kontexterkennung, wie sie derzeit durch
"gewöhnliche" neuronale Netze, gepaart mit dem so genannten "Bayesschen Lernen",
nur unzureichend praktiziert wird, ganz erheblich verbessern wird. Als Resultat
streben wir die Entwicklung von kontextsensitiven kognitiven Systemen an, die
spontan auf neue Gegebenheiten und Wünsche reagieren und damit dem bedienenden
Individuum maximal entgegen kommen.
Man kann sich solche Kognitionssysteme z.B. in Paarung mit Robotern, visuell-haptischen
Schnittstellen und Videotracking vorstellen. Das Projekt beinhaltet Experimente mit den
genannten Schnittstellentechnologien. Die Entwicklung der zugehörigen Systemsteuerungen gehört zu unserer Zielvorgabe.
Mehrere Publikationen zum Thema liegen bereits vor. Kooperationspartner des Projekts
ist das Steinbeis Transferzentrum für innovative Systeme und Dienstleistungen in Friedrichshafen
unter der Leitung von Dr. Axel Hoff, sowie das Institut für Bio-Medizin-Technik in Giessen
unter der Leitung von Prof. Horst Prehn.
Im Rahmen des Projekts "Adaptive Kognitionssysteme" ist im Jahre 2001 eine
Praktikumsarbeit von Marco Rohrbach entstanden. M. Rohrbach ist
Student der Biomedizinischen Technik an der Fachhochschule in Giessen und wird
dort von Prof. Horst Prehn betreut, für dessen Kooperation wir
an dieser Stelle herzlich danken. Der
Praktikumsbericht
ist als pdf-file (ca 1.5 Mbyte) verfügbar.
Weiterhin hat Anette Rohr im Februar 2003 ihre Diplomarbeit zum "Design eines flexiblen, computerunterstützten Biofeedback-Systems" abgeschlossen. Die Diplomarbeit ist im Studiengang Medien und Informationswesen der Fachhochschule Offenburg anerkannt worden. Die Mitbetreuung von Seiten der Fachhochschule fand statt durch Herrn Prof. Riempp,
dem wir für seine Kooperation herzlich danken.
Im Juli 2003 hat Thomas Kenz sein Praktikum im Rahmen des Bachelor-Studienganges in Informatik am ZKM | Institut für Grundlagenforschung beendet. Herr Kenz hat für den von Anette Rohr (zusammen mit Adolf Mathias) entwickelten Toolkit ein graphisches User-Interface entworfen und programmiert. Der
Praktikumsbericht
ist als pdf-file (ca 1.7 Mbyte) verfügbar.
Teil dieses Projekts ist die Entwicklung einer adaptiven Schnittstelle zur Bildersuche.
Das Projekt "EyeVisionBot"
(ca 90 MB avi-file)
wurde vom 18.-20. Juni 2004 auf dem Karlsruher Stadtgeburtstag präsentiert.
EyeVisionBot wertet des Suchverhalten der individuellen Benutzer durch Blickerfassung
aus und optimiert die Bildersuche auf die am wahrscheinlichsten erwüschten Kategorien.
Projektparter ist das
"Medienkunstnetz".
Es gibt hierzu den
open source client "openbaar" für den GIFT server (Gnu Image Finding Tool). Zudem ist EyeVisionBot ist seit dem 18. September 2004 im
Medienmuseum zu sehen und zu benutzen. Am 9. Juni 2005 wurde das Projekt
"EyeVisionBot" der ZKM-Grundlagenforschung mit dem
doIT Software Award ausgezeichnet.
Eine allgemeine Übersicht über blickbasierte Interfaces ist bei
Gaze Based Interaction Group zu finden.
In einem weiteren Teilprojekt beschäftigen wir uns mit Entscheidungsstrategien. Im Medienmuseum ist seit dem 18. September 2004 die Installation
"KI-Arena" zu sehen. Die Museumsbesucher können eigene Agenten kreieren, diese mit einer Strategie ausstatten und den Erfolg ihrer Kreaturen verfolgen und später wieder abrufen.
Weiterführende Literatur finden Sie in unserer
Publikationsliste.
Illustrationen und Ergebnisse:
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Adaptives Kognitionssystem mit Stimulus und Simulus.
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Genestetes Modell des adaptiven Kognitionssystems, wobei ein Simulus die dynamischen Zustände
eines anderen kognitiven Systems simuliert. Das Ziel ist, sozio-biologisches Verhalten zu beschreiben.
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X-Variable des Rössler-Systems im chaotischen Regime.
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Parameter-Adaptation des Target-Systems an das externe Rössler-Signal.
Das externe System durchläuft plötzliche Änderungen in Bezug auf einige Parameterwerte.
Der Simulus adaptiert extrem schnell (für einen Parameter dargestellt).
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Human pulse signal
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Adaptation des Target-Systems auf ein menschliches Pulssignal. Die Targetdynamik wurde
willkürlich als van der Pol-Oszillator gewählt. Eine Verallgemeinerung ist aber möglich.
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Reihe von Screenshots, die die Adaptation des Targetsystems auf einen musterbildenden
Prozess zeigen, wie der sich in einem Feld von gekoppelten Oszillatoren ausbildet. Dies
ist ein Hinweis, dass in naher Zukunft auf noch komplexere Dynamiken adaptiert werden kann,
die als partielle Differentialgleichungen in 2 räumlichen Dimensionen beschrieben werden können.
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Neuroästhetische Messungen und Biofeedback (hier die elektrodermale Aktivität),
hier mit visueller Rückkopplung über das eigene manipulierte Live-Video.
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